12.07.2017.
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CZKD, Belgrad
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ÜBER DEN NATIONALSTAAT HINAUSDENKEN!
Am 28. und 29. April 2017 fand in Belgrad der feierliche Wechsel der Büroleitung statt
Das die Wahl für den Gastgeber zugunsten des Zentrums für kulturelle Dekontamination - ein Gegenpol zur gentrifizierten Chickeria der Belgrader Innenstadt - ausfiel, war bereits eigenes Statement.
Kritisch sollte die Auseinandersetzung sein. Was kann EU und europäische Politik leisten, um das Leben vor Ort gerecht und sozial zugestalten? Die Diskussion ging weit über ein pauschales «Europabashing» hinaus und drehte sich um die Verwirklichung sozialer Rechte, sowie den Ausgleich sozioökonomischer Ungleichheiten statt deren Verschärfung auf europäischer Ebene und dies alles unter Einbeziehung der unterschiedlichen Zugänge und Perspektiven auf eine linke Europapolitik.
Das Podium wurde dementsprechend besetzt. Jana Tsoneva aus Bulgarien, die als linke Aktivisten und Intellektuelle die sozialen und ökonomischen Verwerfungen in ihrer Heimat intensiv verfolgt und kritisiert. Igor Štiks, der aus drei Perspektiven einen Blick auf Europa warf, von der Position der französischen Linken im Referendum zur europäischen Verfassung 2005, über den Diskurs der britischen Linken zum BREXIT bzw. LEXIT, bis hin zum Blick auf die EU aus Serbien, einem Land in der EU-Peripherie. Sowie Martin Schirdewan, Büroleiter der RLS in Brüssel und damit tätig im »Kern« des politischen Hegemons, der die aktuellen Auseinandersetzungen um die Zukunft der EU mit einem Fußballspiel zwischen neoliberalen und rechtpopulistischen Akteuren verglich, bei dem die Linke nur als Zuschauer beteiligt sei.
Mit diesen drei PanelteilnehmerInnen wurde unter reger Beteiligung des Publikums in einer Fishbowl-Diskussion nicht nur debattiert, wie sich die Linke zur EU positionieren sollte, sondern auch, welche Elemente ein linkes Gegennarrativ enthalten müsste: Von einem Bezug auf das antifaschistische Erbe der EU, über die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit und tatsächlicher Partizipation der BürgerInnen in der europäischen Demokratie. Nicht zuletzt diskutierten die Anwesenden, welche Chancen die Linke in Europa hat, aus einer defensiven Position herauszutreten und aktiv die Debatten um die Zukunft der EU beeinflussen zu können.
Am nächsten Tag fand der Workshop «MAPPING THE LEFT» statt. VertreterInnen von Partnerorganisationen der RLS nutzten diese Gelegenheit zur Vernetzung und zum fruchtbaren Austausch. Im Zentrum standen Berichte zur Situation der Vereinigten Linken (Združena Levica) in Slowenien, zur Bildung des breiten linksgrünen Wahlbündnisses für die kroatischen Kommunalwahlen in Zagreb. Aber auch Erfahrungen der Linken in den mazedonischen Protestbewegungen 2015 und 16, sowie zu den Herausforderungen für die serbische Linke im Kontext der aktuellen Proteste in Serbien.
Insbesondere Bedingungen, Chancen und Risiken der Beteiligung linker Akteure an breiten politischen Bündnissen am Beispiel der kroatischen und serbischen Erfahrungen waren dabei von Interesse. Aber auch die Frage, wie Projekte und Akteure der radikalen Linken organisatorisch und finanziell nachhaltige Strukturen aufbauen können, beschäftigte die Teilnehmenden.
Die Herausforderungen in der Region liegen vor allem in der Verbreiterung der politischen Handlungs- und Bündnisoptionen. Es gibt wie das Beispiel in Zagreb zeigt, ein relativ großes Potential für die Linke, sich über breitere Bündnisse politisch und organisatorisch gefestigter und nachhaltiger aufzustellen.
Die Veranstaltung war zudem Abschied und Willkommen. Wenke Christoph, die das Büro von Juli 2016 bis Februar 2017 leitete, verabschiedete sich und arbeitet jetzt als Referentin Europa im Referat Europa der Bundeststiftung in Berlin. Begrüßt wurde Krunoslav Stojaković, der ab März 2017 die Leitung des Büros übernimmt.